Aufruf: Für soziale Sicherheit und eine gerechte Verteilung – gegen Sozialstaatsabbau und Hetze gegen Leistungsberechtigte
Für soziale Sicherheit und eine gerechte Verteilung – gegen Sozialstaatsabbau und Hetze gegen Leistungsberechtigte
Videoclip: 5 Minuten für soziale Gerechtigkeit
Mit einem gemeinsamen Aufruf kritisiert ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, dem Mieterbund, Pro Asyl und Erwerbslosen-Initiativen Forderungen nach sozialen Kürzungen und verurteilt die aktuelle Stimmungsmache gegenüber schutz- und hilfebedürftigen Menschen scharf.
Aufruf: Für soziale Sicherheit und eine gerechte Verteilung – gegen Sozialstaatsabbau und Hetze gegen Leistungsberechtigte
Für soziale Sicherheit und eine gerechte Verteilung – gegen Sozialstaatsabbau und Hetze gegen Leistungsberechtigte
"Der Sozialstaat ist ein wesentliches Fundament der Gesellschaft in Deutschland. Der Sozialstaat gewährleistet soziale Sicherheit, unterstützt eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und ist die Grundlage des demokratischen und friedlichen Zusammenlebens. Der Sozialstaat organisiert Solidarität unter gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern und bringt zum Ausdruck: wir stehen füreinander ein. Das gebietet unsere Verfassung und das ist gut so! Demokratie und soziale Grundrechte gehören zusammen.
Ein guter Sozialstaat umfasst tariflich entlohnte und sichere Erwerbsarbeit, verlässliche Absicherung für die Wechselfälle des Lebens, Schutz gegen Armut und Unterstützung durch soziale Dienste und Infrastrukturen. Ein integraler Bestandteil des Sozialstaates sind die Leistungen der Grundsicherung. Sie sollen als unteres Netz im Bedarfsfall ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren.
Aktuell ist der Sozialstaat bedroht. So wird gefordert, zur Haushaltskonsolidierung Sozialleistungen zu kürzen oder gar das Bürgergeld abzuschaffen. Wir stellen uns allen Forderungen entgegen, die den Sozialstaat in einem seiner Bestandteile beschädigen. Wir stehen gemeinsam gegen die Prekarisierung von Arbeit, den Abbau von Leistungen der Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung, gegen Leistungskürzungen bei den Ärmsten unserer Gesellschaft und gegen Kürzungen bei den sozialen Dienstleistungen.
Wir stehen für gesamtgesellschaftliche Solidarität. Solidarität darf nicht vor den Wohlhabenden Halt machen: Starke Schultern müssen stärker in die Verantwortung genommen werden. Haushaltskonsolidierung darf nicht zu Lasten des Sozialen gehen.
Fast eine Million Erwerbstätige mit geringem Einkommen, u.a. viele Solo-Selbstständige, müssen mit Bürgergeld aufstocken. Bei geringen Löhnen reichen die Leistungen der Sozialversicherung nicht immer zum Leben. Viele Erwerbsgeminderte und Altersrentner*innen leben in Armut und sind auf Grundsicherung angewiesen. Viele Menschen werden arm, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden.
Insbesondere stellen wir uns gegen Hetze sowie abwertende und ausgrenzende Diskurse gegenüber Bürgergeldbeziehenden und Geflüchteten. Alle Erwerbstätigen und alle Menschen ohne hinreichendes Einkommen brauchen Solidarität, soziale Sicherheit und einen verlässlichen Schutz vor Armut – erst recht in Zeiten des Umbruchs, der Transformation und der Verunsicherung.
Wir stellen fest und fordern:
Gegen unzureichendes Erwerbseinkommen hilft keine Stimmungsmache gegen die Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen, sondern höhere Löhne und bessere Honorare. Die Tarifbindung muss gestärkt werden. Der Mindestlohn muss deutlich angehoben werden.
Der soziale Ausgleich bei den Sozialversicherungen muss ausgebaut werden: wer entsprechend einzahlt, muss auch bei Arbeitslosigkeit, im Alter oder Erwerbsminderung und beim Bezug von Krankengeld auskömmliche Leistungen erhalten. Zur Vermeidung von Altersarmut müssen Lücken in der Erwerbsbiografie geschlossen und das Rentenniveau angehoben, zumindest aber stabilisiert werden.
Die Leistungen der Grundsicherung müssen ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren und bei allen berechtigten Personen ankommen. Die aktuellen Leistungen sind zu niedrig und müssen auf den Prüfstand. Die Nullrunde 2025 führt zu Kaufkraftverlusten. Armut wird nicht verhindert.
Soziale und berufliche Teilhabe muss für alle Menschen möglich sein. Beratung, Unterstützung, Weiterbildung und ggf. auch ein öffentlich geförderter Arbeitsplatz sind erfolgreiche Wege, um Erwerbslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür brauchen die Jobcenter mehr Geld.Wer dieses Geld verweigert, der spart nicht, sondern verschiebt Probleme in die Zukunft. Arbeitsförderung ist eine Zukunftsinvestition! Die ständigen Sanktionsdebatten helfen dagegen nicht bei der Förderung, sondern stigmatisieren und grenzen aus.
Wohnen ist ein Menschenrecht und essenzielles Element eines menschenwürdigen Lebens. Ein hinreichendes Angebot an bezahlbaren Wohnungen ist durch einen stärkeren öffentlichen Wohnungsbau herzustellen, um den Wohnungsmarkt zu entspannen. Es braucht gesetzliche Regelungen, um den Anstieg der Mieten wirksam zu begrenzen. Das entlastet auch die öffentlichen Haushalte."
Aufruf von:
Gemeinsamer Aufruf von AWO Bundesverband e.V., Deutscher Caritasverband e.V. , Diakonie Deutschland, Der Paritätische Gesamtverband, SoVD, VdK, Volkssolidarität, DGB, ver.di, IG Metall, Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Bündnis AufRecht bestehen, Arbeitslosenhilfe Oldenburg e.V., Tacheles e.V., Sanktionsfrei, Deutscher Mieterbund, Pro Asyl, Tafel Deutschland e.V., Zukunftsforum Familie e.V.
Stimmen von den beteiligten Organisationen und Gruppen
Michael Groß, Arbeiterwohlfahrt (AWO), Präsident
„Bei unseren Trägern der Arbeitsmarktförderung sehen wir, dass der soziale Arbeitsmarkt Wirkung zeigt: Menschen erfahren soziale Teilhabe und werden an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt. Für einen starken Sozialstaat braucht es aber auch eine verlässliche Ausstattung der Arbeitsmarktförderung. Daher fordern wir ein auskömmliches Budget für Arbeitsmarkteingliederung im Bürgergeld statt unbegründeter Hetze gegen Langzeitarbeitslose.“
Eva-Maria Welskop-Deffaa, Deutscher Caritas-Verband e.V., Präsidentin
„Wir leben in einer Welt, in der jeder und jede jederzeit von Lebensrisiken aller Art getroffen werden kann. Daher braucht es eine Sozialpolitik, die verpflichtende Eigenvorsorge mit solidarischem Ausgleich in unserem Sozialversicherungssystem wirksam verbindet. Zusammen mit einer tragfähigen sozialen Infrastruktur ist die Sozialversicherung Herzstück unseres Sozialstaats. Die Caritas steht im Bündnis dafür ein, sie generationengerecht weiterzuentwickeln – zum Beispiel durch Einbeziehung prekär selbständig Tätiger in die Rentenversicherung. Nur so ist Altersarmut perspektivisch vermeidbar.“
Elke Ronneberger, Diakonie Deutschland, Bundesvorständin Sozialpolitik:
„Es geht beim Sozialstaat um Rechtsansprüche und nicht um Almosen. Der Sozialstaat ist aus guten Gründen Staatsziel und gehört untrennbar zur stabilen Demokratie. Dem sollten sich alle Parteien verpflichtet fühlen. Fast eine Million Menschen erhalten Bürgergeld, weil ihr Lohn nicht zum Leben reicht- nicht selten, obwohl sie in Vollzeit arbeiten. Das ist eine Ungerechtigkeit, über die wir mehr sprechen sollten. Die Grundsicherung muss auf den Prüfstand: Sie soll Armut verhindern, schafft das aber nicht. Die gesellschaftlichen Folgekosten von Armut kommen uns teuer zu stehen. Wer gegen diese Ausgaben ehrlich etwas unternehmen will, muss klug in Infrastruktur investieren.“
Anja Piel, DGB, Vorstandsmitglied
„Eine breite Mehrheit will einen starken Sozialstaat und mehr sozialen Ausgleich zwischen oben und unten. Das zeigt die aktuelle Beschäftigtenbefragung des DGB eindeutig. Statt Beschäftigte gegen Arbeitslose auszuspielen, müssen wir die Verteilungsfrage richtig stellen: Nehmen wir endlich die Superreichen in die Pflicht, denn bei denen ist wirklich etwas zu holen zum Wohle aller.“
Joachim Rock, Der Paritätische Gesamtverband, Hauptgeschäftsführer
„Niedrige und repressive Sozialleistungen ziehen das Lohngefüge nach unten. Und demokratische Teilhabe setzt ein Mindestmaß an finanziellen Spielraum voraus. Auch deshalb treten wir für armutsfeste und sanktionsfreie Sozialleistungen ein. Die Armutslücke muss geschlossen werden, damit alle frei von Armut leben können.“
Hartwig Erb, Fördervereins gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit e.V., Vorsitzender
“Rund 2 Mio. Menschen stehen inzwischen bei den Tafeln um Lebensmittel an. Darunter auch viele Arbeitnehmer*innen, oft mit Kindern, bei denen der Lohn nicht ausreicht, um damit Miete, Essen, Strom und Kleidung zu bezahlen. Wir brauchen daher eine deutliche Anhebung des Mindestlohns. Das reicht aber nicht aus. Viele Arbeitnehmer*innen sind zur Sicherung ihrer Existenz auch aufstockende Sozialleistungen wie Wohngeld, Kinderzuschlag oder Bürgergeld dringend angewiesen.“
Hans-Jürgen Urban, IG Metall, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
“Der Sozialstaat ist kein Hemmschuh, sondern ein Garant für Wohlstand. Wer die Zukunft sichern will, darf den Sozialstaat nicht runterschrauben, sondern muss ihn um- und ausbauen. Denn ein starker Sozialstaat dient dem Wohle aller – ob sozial Schwächeren als Unterstützung und Auffangschirm, Beschäftigten als sozialer Sicherheitsanker im aktuellen wirtschaftlichen Wandel, Jung und Alt mit Blick auf auskömmliche Renten oder Familien in Form sozialer Infrastruktur, wie Kitas und Schulen, im alltäglichen Leben.”
Karl Kopp, PRO ASYL, Geschäftsführer
„Alle Menschen haben das Recht auf ein Leben in Würde – das ist unverhandelbar. Wir stellen uns entschieden gegen Hetze und ausgrenzende Diskurse auf dem Rücken von Bürgergeldbeziehenden und Geflüchteten, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Leistungskürzungen, die das Existenzminimum unterschreiten, missachten die Würde eines jeden Menschen und untergraben unser Sozialstaatsprinzip. Entgegen ihrer Ankündigung, das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz verfassungskonform zu reformieren, hat die Ampel-Bundesregierung die Leistungen für Geflüchtete sogar noch weiter drastisch gekürzt. Wir fordern weiterhin die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und eine menschenwürdige Absicherung für alle Menschen in Deutschland.“
Helena Steinhaus, Sanktionsfrei, Geschäftsführerin
"Arbeitspflicht, pauschalierte Wohnkosten, weniger Regelsatz. Die Menschen in Bürgergeld werden allein durch den verschärften Diskurs in Panik versetzt. Wenn auch nur ansatzweise umgesetzt wird, was aktuell gefordert wird, bedeutet das für Millionen von Menschen noch stärkere Ausgrenzung, Existenznot und Entmündigung.“
Michaela Engelmeier, SoVD, Vorstandsvorsitzende:
„Es ist beschämend, dass im Wahlkampf Beschimpfungen von hilfebedürftigen Menschen mittlerweile an der Tagesordnung stehen. Und es ist zugleich auch gefährlich. Denn Solidarität mit Menschen in Not ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft, der nicht ins Wanken geraten darf. Wer hingegen lösungsorientiert erreichen will, dass weniger Menschen auf Grundsicherung angewiesen sind, der unterstützt unsere Forderungen: Mindestlohn rauf auf 15,12€ die Stunde, gesetzliche Rente stärken und Mietexplosionen stoppen!“
Verena Bentele, Sozialverband VdK Deutschland, Präsidentin
„Der Sozialstaat ist ein Erfolgsmodell. Sozialversicherungen schützen im Alter, bei Krankheit und Arbeitslosigkeit, deswegen müssen sie gestärkt werden. Passiert das nicht, droht noch mehr Armut. Schon jetzt sind immer mehr Rentnerinnen und Rentner zusätzlich auf Grundsicherung im Alter angewiesen und Sozialkürzungen würden sie direkt und ganz besonders stark treffen. Hier braucht es ein klares Nein zur Altersarmut.“
Frank Jäger, Tacheles e.V., Vorstandsmitglied
"Wer Lügen über angeblich zu hohe Regelsätze und mangelnde Arbeitsbereitschaft von Bürgergeldberechtigten verbreitet, befördert Ausgrenzung, gesellschaftliche Spaltung und beschädigt die Demokratie. Dabei reichen schon die aktuellen Leistungen meist nicht aus, um sowohl das Nötigste zum Leben als auch menschenwürdiges Wohnen zu finanzieren – geschweige denn, um ein Minimum an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Dass die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetz noch einmal deutlich unter dem Niveau des Bürgergeldes liegen, verletzt die Menschenwürde und ist eine Bankrotterklärung des Sozialstaats."
Marco Koppe & Sirkka Jendis, Tafel Deutschland e.V., Geschäftsführer
„Armut gefährdet den sozialen Frieden und Zusammenhalt in unserem Land. Die Tafeln als zivilgesellschaftlicher Akteur können und wollen den Sozialstaat nicht aus seiner Versorgungspflicht befreien: Bei den Ärmsten zu sparen und den Sozialstaat weiter abzubauen kann unmöglich Ziel der Bundesregierung sein.“
Heinz G. von Wensiersky, Bundeserwerbslosenausschuss Gewerkschaft ver.di, Vorstand
“Der soziale Ausgleich bei den Sozialversicherungen muss ausgebaut werden, wer einzahlt, muss auch bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und bei Erwerbsminderung oder im Alter auskömmliche Leistungen erhalten. Zur Vermeidung von Altersarmut müssen Lücken in der Erwerbsbiografie geschlossen und das Rentenniveau angehoben, zumindest aber stabilisiert werden.”
Susanna Karawanskij, Volkssolidarität e.V., Präsidentin
“Beitragserhöhungen bei den Kranken- und Pflegeversicherungen treffen vor allem untere Einkommensgruppen, während durch Beitragsbemessungsgrenzen die oberen geschützt werden. Diese Grenzen müssen steigen, damit Sozialleistungen für alle erreichbar bleiben. Auch ein armutsfestes Rentenniveau ist finanzierbar, wenn gutverdienende Verbeamtete und Politiker*innen, aber auch Aktiengewinne und Mieteinnahmen, in die Gesetzliche Rente einbezogen werden.”
Britta Altenkamp, Zukunftsforum Familie (ZFF) e.V, Vorsitzende
„Alle Kinder und Jugendlichen müssen die Möglichkeit haben, gut und gesund aufzuwachsen. Dafür brauchen wir einen starken Sozialstaat, der gegen die Wechselfälle des Lebens schützt, Kindern und ihren Eltern ein ausreichendes Existenzminimum gewährleistet und Teilhabe sichert. Dazu gehören auch bezahlbare Wohnungen, in denen Kinder genügend Platz zum Spielen und Lernen haben. Hier brauchen wir mehr Gerechtigkeit statt Kürzungen!“