Migrantische Arbeit und Fleischproduktion in Niedersachsen

Linkes Forum, 31.08.2014, 11.00 Uhr - Vortrag und Diskussion mit Guido Grüner

Ort: Donnerschweerstr. 55

Migrantische Arbeit und Fleischproduktion in Niedersachsen

Was sind die Gründe für Konkurrenzfähigkeit der deutschen Land- und Lebensmittel-Wirtschaft? - Bericht über eine Untersuchung französischer Bauern in Oldenburg

[Folien und Vortragsskizze; pdf, ca. 1 MB]

Ankündigungstext:
Die Fleischindustrie lässt Niedersachsen gut aussehen: Die offiziellen Arbeitslosenzahlen z. B. in Süd-Oldenburg und im Emsland sind minimal, die Exporte wachsen. Auch Parma-Schinken kommt inzwischen aus Süd-Oldenburg.

Den Raum für dieses erfolgreiche Wirtschaften schafft das deutsche und europäische Recht: die Zerteilung der Arbeit in der Fabrik auf der Basis von Werkverträgen, die Auftragsvergabe an Subunternehmensketten und deren regelmäßige Insolvenz, die fehlende Generalunternehmerhaftung, die Arbeitnehmerentsendung, Arbeit ohne Abgaben in die Sozialversicherung, migrantische ArbeiterInnen ohne Krankenversicherung und verwehrtem Zugang zur bundesdeutschen Mindestsicherung.

Dazu gehören auch die extreme Arbeitsausbeutung und menschenunwürdigste Lebensverhältnisse der ArbeiterInnen und ihrer Familien (hier und in ihren Herkunftsländern), Nachtlager unter Plastikfolien von Wanderarbeitern in Wäldern rund um Vechta und Cloppenburg, mafiöse Strukturen, Rocker als Subunternehmer... um nur einige Schlaglichter dieser ökonomischen Entwicklung zu nennen. Aber genau diese Not und die minimalen rechtlichen Standards machen migrantische ArbeiterInnen erpressbar und ihre Arbeit, d.h. in Deutschland geschlachtetes Fleisch, im europäischen Maßstab konkurrenzlos billig.

Was steht dagegen?

Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung ist eine Straftat, die Selbständigkeit des Abarbeitens von Werkverträgen (z. B. für das Zerlegen in Schlachthöfen) ist reine Fiktion, arbeitsrechtliche Mindeststandards gelten für alle hier Werktätigen, Beratungsstellen, Kirchen, Gewerkschaften prangern Missstände an und organisieren Unterstützung. Gleichzeitig bleibt die Entwicklung gewerkschaftlicher Organisation und sind Arbeitskämpfe angesichts globaler Arbeitskräfteverschiebung und den Unternehmen ausgelieferter ArbeiterInnen schwierig.

Ab 2015 gelten mit dem „Tarifautonomiestärkungsgesetz" der schwarz-roten Koalition neue Spielregeln, auch ein Mindestlohn. Den Schluss des Vortrags bilden Hinweise auf dessen zwiespältigen Charakter. Erläutert werden die damit implantierten Neuerungen insbesondere im Entsenderecht, die darauf abzielen, einem allgemeinen Mindestlohn entgegenzuwirken und parlamentarisch-demokratischen Entscheidungen über das Niveau eines allgemeinen Mindestlohns und über minimale Arbeitsstandards z.B. im Bereich der Pflege die Grundlagen entziehen.

Dazu vorab mehr lesen? (Beiträge in französischer und deutscher Sprache)

Hier Hinweise vor allem auf Beiträge von Cindy Thommerel, die 2014 für die frz. Bauerngewerkschaft La Confédération Paysanne in der BRD recherchierte:

• Cindy Thommerel, Kurzbeitrag: „Wenn Du nicht zufrieden bist, geh weg" [http://www.agricultures-migrations.org/si-tu-nes-pas-content-rentre-chez-toi/?lang=de], ausführlicher in französisch „Si tu n'es pas content, rentre chez toi!" (http://emi-cfd.com/echanges-partenariats/?p=3061)

• Cindy Thommerel: Ausbeutung von migrantischen Arbeitskräften in Deutschland: zwischen Containern, Spargelfeldern und Schweinehälften (http://www.agricultures-migrations.org/ausbeutung-von-migrantischen-arbeitskraften-in-deutschland-zwischen-containern-spargelfeldern-und-schweinehalften/?lang=de)

• Cindy Thommerel, Interview mit Matthias Brümmer (NGG), „Das ganze System ist ein Betrug an der Gesellschaft" (http://www.agricultures-migrations.org/lensemble-du-systeme-est-une-fraude-a-la-societe-toute-entiere-interview-de-matthias-brummer-du-syndicat-ngg/?lang=de)

• Cindy Thommerel & Guido Grüner: Mindestlohn und Arbeitsbedingungen beim Schweineschlachthof von Tönnies im Emsland: „»Sögeler Weg« - eine Antwort auf die Ausbeutung migrantischer ArbeiterInnen in der Fleischindustrie in Deutschland?" (http://www.also-zentrum.de/archiv/beitrag/soegeler-weg.html)

• „ArbeiterInnen unter Druck" (http://www.also-zentrum.de/archiv/beitrag/arbeiterinnen-unter-druck.html)

• „Cloppenburg - 200 gegen Sklavenarbeit" (http://www.also-zentrum.de/archiv/beitrag/cloppenburg-200-gegen-sklavenarbeit-97.html)

• Cindy Thommerel, „Entre les logements préfabriqués et les champs d'asperges..." (Zwischen Wohncontainern und Spargelfeldern) [nur französisch hier: (http://www.agricultures-migrations.org/entre-les-logements-prefabriques-et-les-champs-dasperges/)

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